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Monde

Was ist ein Mond?

In der Astronomie "kämpft" man immer wieder mal mit den Definitionen der Himmelskörper. Als Beispiel hier ein etwas älterer Text (2003) der Kuffner-Sternwarte, der sehr schön illustriert, dass vermeintlich einfache Fragen nicht immer leicht zu beantworten sind:

Die Definition hinkt einer Flut von Entdeckungen hinterher. Der spektakulärste Fall war die Entdeckung von Monden die einen anderen Mond umkreisen. Welche Bezeichnung wäre für solche Himmelskörper passend? 

In der vorteleskopischen Zeit der Astronomie, bevor Galileo Galilei das erste Mal ein Teleskop auf einen Planeten richtete, gab es nur einen Mond; unseren Erdmond. Die Menschen machten sich auch weiter keine Mühe, dem Erdtrabanten einen Namen zu geben, weil er ja sozusagen keine Konkurrenz am Himmel hatte: Er galt als einmalig. 

Als am 7. Januar 1610 Galileo mit einem selbstgebauten Teleskop die vier großen Monde Jupiters entdeckte (Io, Europa Ganymed, Kallisto) war dies eine Riesensensation. Bis dahin konnte sich niemand vorstellen, dass es auch bei anderen Planeten Trabanten geben könnte. 

Inzwischen sind die Dinge aber wesentlich komplexer geworden; besonders in letzter Zeit. 

Mit einer Flut von Entdeckungen in den letzten drei Jahren ist die Zahl der Monde in unserem  Sonnensystem auf 184 angestiegen und weitere Entdeckungen werden vermutlich folgen. Astronomen erhoffen sich in den kommenden Monaten und Jahren weitere Mond-Entdeckungen, sodass sich deren Zahl verdoppeln, wenn nicht gar verdreifachen könnte. Nicht mitgezählt die vielen kleineren Objekte; z.B. Brocken in der Größe eines Fußballstadions, die aller Wahrscheinlichkeit nach die großen, äußeren Planeten umkreisen. 

Währenddessen wächst mit der steigenden Zahl von Entdeckungen die Komplexität von Mond-Typen und deren Bahneigenschaften und die Astronomen kämpfen darum, eine gewisse Ordnung in die verschiedenen Erscheinungsformen dieser Objekte zu bringen. 

Einige Interviews mit Mondentdeckern und Spitzentheoretikern ergaben, dass die Definition: Was ist ein Mond, nicht klar umrissen ist und dass es darüber auch kaum Diskussionen gibt, ob für die Bezeichnung Mond ein Objekt nicht eine bestimmte Mindestgröße haben sollte, damit es eine Unterscheidung gibt zwischen "richtigen" Monden und kleinen Hochstaplern. Und niemand hat es eilig, in dieser Richtung etwas zu unternehmen. 

Von Riesen, Klein- und Kleinstobjekten die Planeten umkreisen 

Im März 2003 gaben Astronomen die Entdeckung des kleinsten planetaren Satelliten bekannt: Einen 1 Kilometer großen Mond der Jupiter umkreist. Er ist einer von Dutzenden kleinen Monden mit ungewöhnlichen Umlaufbahnen. Einige von diesen haben eine retrograde Bahn (entgegengesetzt der Rotation des Planeten) Einige haben langgestreckte, elliptische Umlaufbahnen. Andere wieder haben stark geneigte Bahnen. Und manche haben kreisförmige Bahnen. 

Saturn, Uranus und Neptun; alle dies Planeten haben ähnliche Satelliten. 

Andere Konfigurationen sind komplexer. Saturns Ringe enthalten Myriaden von Brocken aus Eis und Gestein, die von den Forschern nicht als Monde betrachtet werden. Und eingebettet in diese Ringe sind Objekte, die aufgrund ihrer geringen Größe gerade noch als Einzelobjekte erkannt werden konnten und die noch dazu eine Rolle spielen, die eigentlich ein "richtiger" Mond nicht innehat; sie betätigen sich als Hirten- oder Schäferhundmonde. Das sind Satelliten, die knapp außerhalb oder innerhalb eines Planetenrings laufen. Sie halten durch ihre Beschleunigung (Satellit bewegt sich innerhalb) oder durch ihre Bremswirkung (Satellit bewegt sich außerhalb des Rings) die Ringteilchen in einem engen Bereich zusammen. Bekanntestes Beispiel: Prometheus und Pandora halten F-Ring des Saturns zusammen. 

Andere Objekte sind so klein, dass sie kaum gesichtet werden können Ab welcher Größe ist ein Planetensatellit ein Mond? Ab 1 m, 10 m oder 100 m?

Es gibt bis jetzt keine annehmbare Definition. Ein 30 cm-Felsbrocken, der einen Planeten umkreist, den würde man zwar nur einen Felsbrocken nennen, aber technisch gesehen ist er ein Mond. 

Aber bei konsequenter Handhabung der Definition, dass alle auffindbaren Objekte aus fester Materie die einen Planeten umkreisen Monde sind – wie klein sie auch sein mögen - würde bedeuten, dass es in unserem Sonnensystem Abertausende von Planeten-Satelliten gäbe. 

Verschiedene Ausdrucksformen 

Als die Menschen vor Jahrzehnten erstmals Satelliten in die Erdumlaufbahn beförderten, hielten es Astronomen für notwendig, eine Unterscheidung zu jenen Objekten zu definieren, die schon seit Äonen Planeten umkreisen. So wurde der Begriff natürlicher Satellit geboren. 

Im nachhinein gesehen, war es nicht gerade eine besonders glückliche Wortschöpfung. 

Die meisten Menschen verwirrt nämlich die Bezeichnung Satellit, weil dieser Terminus gleichgesetzt wird mit "künstlichem" Satelliten. Für den Laien wurde damit die Mond-Terminologie nicht gerade verständlicher. Die Astronomen entwickelten nur ein loses Klassifikations-Schema, welches die Monde grob in drei Typen einteilte, basierend auf der Distanz zu ihrem Mutterplaneten: 
Irreguläre Monde 
Reguläre Monde 
Innere Monde (manchmal auch Ringmonde genannt) 

Irreguläre Monde 

Die Herkunft irregulärer Monde ist unbekannt. Es könnten eingefangene Asteroiden oder Kometen sein. Es ist aber auch möglich, dass sie Teile von jungen Planetenembrios sind, die es einfach nicht schafften zu einem großen Planeten heranzuwachsen, weil sie Opfer des Großen Bombardements vor 3,6 Mrd. Jahren wurden. Viele dieser Irregulären fliegen sozusagen im Doppelpack, was darauf hindeutet, dass sie einst Teil eines größeren Objekts waren. 
Die Irregulären sind typischerweise klein, haben ihre Umlaufbahnen in großer Entfernung zum Planeten und ihre Flugbahnen sind oft ungewöhnlich. Manche Orbits sind langgezogen und stark geneigt. Manche fliegen hoch über oder tief unter der Bahnebene, in der sich die regulären Monde bewegen. Sie kommen nahe an den Planeten heran und entfernen sich weit von ihm auf einem hochelliptischen Orbit. Viele Irreguläre haben auch retrograde Bahnen. Jeder nur denkbare Orbit ist möglich. Das einzige was Irreguläre nicht tun ist, senkrecht zur Bahnebene des Planeten diesen zu umkreisen. So eine Bahn wäre durch die Anziehungskraft der Sonne extrem instabil. Ein solches Objekt würde entweder auf dem Planeten aufprallen oder die Planetenumlaufbahn verlassen. 

Viele Irreguläre sind wahrscheinlich schon in der Umlaufbahn eines Planeten, als dieser noch jung war. Einige Astronomen sind daher der Meinung, dass diese Objekte zu recht Monde genannt werden; ungeachtet ihrer exotischen Umlaufbahnen. Niemand weiß allerdings, wie sie eingefangen worden sind. Forscher sind nämlich der Meinung, dass es für einen Planeten sehr schwierig ist, sich ein Objekt einzufangen. Es sei denn irgend ein Asteroid nähert sich mit einer sehr geringen Relativgeschwindigkeit oder er ändert seine Flugbahn und fliegt im rechten Winkel durch die Planeten-Atmosphäre - sonst wird er eher auf dem Planeten aufprallen oder wegfliegen. 

Er kommt aus der Unendlichkeit und geht wieder zurück in die Unendlichkeit. 

Manche Forscher spekulieren, dass viele dieser Irregulären in die einst sehr ausgedehnte Gashülle, welche die noch sehr jungen Riesenplaneten vor 4,.5 Mrd. Jahren umgab, hineingeflogen sind Das eine weitere Erklärung dafür, warum die Irregulären so klein sind, weil ein kleineres Objekt mehr Oberfläche in Relation zu seiner Masse hat, so dass es leichter eingefangen werden kann als ein großes Objekt. 

Reguläre Monde 

Da gibt es zweierlei: 
Während die Umlaufbahnen irregulärer Monde bis an den Rand des Einflussbereiches eines Planeten reichen, wird die innere Region von regulären Monden dominiert; z.B. Saturns Mond Titan oder Jupiter Galileische Satelliten Io, Europa, Ganymed und Callisto. 

Diese klassischen, großen und runden Monde haben stabile, kreisförmige Umlaufbahnen. Alle umkreisen den Planeten annähernd in der Äquatorebene. Aus dieser Übereinstimmung in der Bewegung ihrer Umlaufbahnen mit dem Planeten folgern die Forscher, dass sie sich gemeinsam mit dem Planeten aus dem Gas und Staub des solaren Urnebels gebildet haben. 
Wieder andere Monde - auch reguläre Monde genannt - entstanden vermutlich durch Kollision. Unser eigener Mond ist nach derzeitigem Wissensstand dadurch entstanden, dass ein marsgroßer Körper die Erde schrammte und den Erdmantel aufriss; ein Teil des Kollisionsmaterials sank zum Erdkern, während sich aus dem Rest unser Mond formte. 

Plutos Mond Charon ist vermutlich auch durch Kollision entstanden. Interessanterweise ist der gemeinsame Schwerpunkt des Systems nicht innerhalb, sondern außerhalb Plutos. Viele Forscher nennen daher dieses System einen Doppelplaneten bzw. ein doppeltes Kuiper-Gürtel-Objekt. Neben dem Pluto-Charon-System gibt es noch einige andere doppelte Kuiper-Gürtel-Objekte am Rande unseres Sonnensystems. Und es gibt auch KBO`s mit kleineren Satelliten. Auch für diese Objekte wird das Wort Mond verwendet. 

Alan Stern vom SwRI ist aber der Meinung, dass KBO-Binaries keine Brocken sind, sondern richtige Welten; die meisten von ihnen groß genug, so dass sie sich durch ihre Gravitation zu runden Objekten formten. Die Bezeichnung Mini-Planeten wäre für diese Objekte treffender. 

Auch Asteroiden haben Satelliten 

Und dann gibt es noch mehr als 30 Asteroiden mit Monden. (einige sind richtige Doppelkörper, andere haben einen deutlich kleineren Begleiter) Alle diese Asteroidensatelliten werden auch Monde genannt. Der Wort Mond wird also sehr freizügig verwendet 

Innere Monde 

Innerhalb der Umlaufbahnen regulärer Monde werden die Dinge noch absurder. Die inneren Monde werden manchmal auch Ringmonde genannt. Und weil sie oft inmitten von "Weltraumschutt" fliegen, sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die jüngsten Monde. Ihre Lebensdauer ist die kürzeste. 
Der Grund: Planeten, besonders die großen, wirken aufgrund ihrer starken Anziehungskraft wie Staubsauger. Sie leeren allmählich das Sonnensystem von Kometen. Das verkürzt aber die Lebensdauer der inneren Monde, weil Kometenabstürze wie SL9 deren Existenz gefährdet. So nahe am Mutterplaneten lebt es sich gefährlich. 

Die Situation verschärft sich noch dadurch, dass aufgrund der Gesetze der Himmelsmechanik, die inneren Monde eine wesentlich höhere Bahngeschwindigkeit haben als die äußeren Monde, so dass Kollisionen viel zerstörerischer wirken. 
Und wenn so ein innerer Mond dann auch noch klein ist, damit naturgemäß auch eine geringe Gravitation hat, dann überlebt er den Einschlag eines kosmischen Vagabunden auf dem Planeten kaum. Aus all diesen Überlegungen heraus nehmen manche Forscher (nicht alle) an, dass innere Monde junge Himmelskörper sind; weniger als 1 Milliarde Jahre alt. Wichtig wäre es zu erforschen, wie groß die Population von Kometen ist und wie oft es zu einem Einschlag auf einem der großen Planeten kommt. Auch sonst leben diese kleinen, inneren Monde gefährlich. Es gibt immer wieder Zusammenstöße unter den inneren Monden, so dass ihre Bahnbewegung mehr durch Kollisionen bestimmt wird als durch die keplerschen Gesetze. 

Außenseiter unter den Monden 

Außerhalb der traditionellen Kategorien von Satelliten gibt es zwei Sorten von Objekten die im weitesten Sinn auch Planetenbegleiter sind. 
Vor und hinter der Bahn Jupiters gibt es zwei Gruppen von Asteroiden die die Sonne umkreisen aber auch gravitativ an Jupiter gebunden sind. Sie werden Trojaner genannt, sind aber technisch gesehen Satelliten Jupiters, zumindest nach Meinung einiger Astronomen. Andere sagen wieder, es sind Begleiter Jupiters, weil ein Satellit ist nur dann ein Mond, wenn er den Planeten umkreist. Auch unter dem Einfluss von Mars und Neptun stehen Trojaner. 

Und die Erde hat eine besondere Art von Begleiter (neben dem Mond). Ein Objekt mit der Bezeichnung 2002 AA29, dass einerseits die Sonne umkreist während es andererseits in einer hufeisenförmigen Bahn die Erde begleitet. Alle paar hundert Jahre kommt 2002 AA29 der Erde nahe genug; dann verhält sich 2002 AA29 auf etwa 50 Jahre wie ein Trojaner. Er wird zum Quasi-Satelliten der Erde. Quasi-Satellit-Entdecker Martin Connors würde sich wünschen, dass aus technischen Gründen Unterkategorien definiert werden. 

David Jewitt, einer der erfolgreichsten Entdecker von Monden ist nicht scharf darauf, die Mond-Terminologie neu zu definieren oder ein Limit für die Mindestgröße eines Objekts festzulegen. Für ihn sind alles natürliche Satelliten. Er sagt: "Ist ein kleiner Hund kein Hund, nur weil er klein ist?" 

Er gibt aber zu, dass die es ziemlich verwirrend ist und dass die Flut an Entdeckungen in letzter Zeit nach größerer Klarheit bei den Bezeichnungen verlangen. Aber die breite Öffentlichkeit würde es unbequem finden, wenn sie in einem Lehrbuch nachsehen müssten, was für eine Art Mond da gemeint ist. Viel Menschen mögen leider schnelle Veränderungen nicht. 

Trotz aller Entdeckungen der letzten Jahrhunderte - seit Galileo erstmals ein Fernrohr zum Himmel richtete - hat sich eines nicht verändert: Wenn wir mit bloßem Auge zum Himmel schauen, sehen wir nur den "Einen", den wir Mond nennen. 


8. Mai 2003/SP 
Verein Kuffner-Sternwarte

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